Spinne wickelt Monster ein
von Gerd Knappe
Ein Werk aus der Stücksammlung PTE – HO – I – YA - PI nach Mythen der Ebenen (Sioux).
In SPINNE WICKELT MONSTER EIN, stellt Spinne als eine listige Natur vor. Monster dagegen ist ein gewaltiger Dummkopf. In der Not erweist sich Spinne, als Meisterin der Worte, der klug gesetzten Lüge. So wird sie von der Bedrohten zur Ratgeberin und macht den Jäger zum Gejagten. Sie bezwingt ihre Angst, verschwistert sich scheinbar mit dem bedrohten Monster und erfährt so von seiner wunden Stelle. Sie offenbart das Geheimnis den Menschen und ermöglicht ihnen die Jagd auf das Monster
"
Das auch noch. Kein Faden hält mehr. Soweit ist es schon mit mir gekommen. Ich bin Spinne. Seht mich an. Ihr seht mich an und ahnt nichts. Ahnt nicht, wie schlau ich sein kann. Wenn ich will, führe ich alle hinters Licht...
Spinne wickelt Monster ein
gehört zur Stücksammlung PTE – HO – I – YA - PI nach Mythen der Ebenen (Sioux).
Im Zusammenspiel reagieren die verschiedenen Wesenheiten untereinander, aufeinander, miteinander. Mensch und Tier machen Erfahrungen aneinander. Ihr Bezugssystem verändert sich, wie einer den anderen sieht, was einer vom anderen hält, wie einer auf den anderen reagiert, wie einer mit dem anderen auskommt, was einer vom anderen braucht.
razzoPENuto präsentiert hieraus drei Geschichten aus dem sogenannten Tierkreis:
Neben 'Spinne wickelt Monster ein', gehören hierzu
Und zwei Geschichten aus dem sogenannten Menschenkreis:
Jede Dramatisierung steht für sich, kann aber auch im Zusammenhang, in der Montage mit anderen Stücken der Sammlung gespielt werden. Es entstehen aus mehreren, andere, nicht geschriebene Geschichten, Sichtweisen der Phantasie.
Theaterpädagogische Perspektive:
Dieses Stück von Gerd Knappe, ebenfalls aus der Sammlung der Sioux-Mythen, präsentiert eine klassische David-gegen-Goliath-Geschichte, bei der List über reine Kraft triumphiert. Die Figur der Spinne als listige Überlebenskünstlerin bietet reizvolle theaterpädagogische Möglichkeiten.
Themen
Das Stück behandelt folgende spannende Themen:
- Intelligenz versus Stärke: Der zentrale Konflikt zwischen der kleinen, aber schlauen Spinne und dem großen, dummen Monster thematisiert, dass Klugheit oft mächtiger ist als bloße Gewalt.
- List und Täuschung: Die Spinne ist eine "Meisterin der Worte, der klug gesetzten Lüge". Das Stück regt dazu an, über die Moral von Täuschung und die Macht der Sprache nachzudenken – wann ist es legitim, zu lügen, um zu überleben?
- Angstbewältigung: Die Spinne bezwingt ihre eigene Angst, um ihre Situation zu meistern. Dies ist ein wichtiges Thema, besonders für junge Menschen.
- Überleben und Anpassung: Die Spinne zeigt, wie man sich in einer bedrohlichen Umgebung behaupten kann, indem man seine Stärken (Intelligenz, Redekunst) nutzt.
- Veränderung von Beziehungen/Perspektiven: Ähnlich wie in den anderen Stücken der Sammlung geht es darum, wie sich das "Bezugssystem" zwischen Mensch und Tier verändert, wie "einer den anderen sieht, was einer vom anderen hält". Die Spinne verwandelt sich von der Bedrohten zur Ratgeberin und dann zur Verräterin des Monsters.
Spielanreize
"Spinne wickelt Monster ein" bietet vielfältige Spielanreize, besonders im Bereich des Körpertheaters und der Sprachgestaltung:
- Tierische Charakterisierung: Die Darstellung der Spinne (wendig, klein, vielleicht nervös, aber schnell im Denken) und des Monsters (groß, ungeschickt, dumm, vielleicht brummend oder trampelnd) lädt zu stark physischen und stilisierten Darstellungen ein.
- Sprachliche Präzision und Wortgewandtheit: Die Spinne als "Meisterin der Worte" erfordert eine sehr bewusste und nuancierte Spracharbeit. Wie klingt eine schmeichelnde Lüge? Wie ein überzeugendes Argument, das in die Irre führt?
- Dynamik von Machtwechseln: Der Wechsel von der Bedrohung zur scheinbaren Versippung und dann zum Verrat bietet dramatische Höhepunkte und interessante Beziehungsdynamiken auf der Bühne.
- Klarheit im Spiel: Das Stück ist eine Fabel, die von klaren Aktionen und Reaktionen lebt. Dies fordert die Spieler:innen heraus, ihre Intentionen präzise darzustellen.
- Implizite Komik: Der Kontrast zwischen der listigen Spinne und dem tumben Monster bietet viel Potenzial für Slapstick und situative Komik.
Zielgruppenansprache
Das Stück ist gut geeignet für:
- Mittelstufe (ca. 12–16 Jahre): Die Themen sind greifbar, die Charaktere archetypisch und die Handlung klar. Es ermöglicht eine Auseinandersetzung mit moralischen Fragen auf zugängliche Weise.
- Ensembles, die Lust auf physisches Spiel und das Arbeiten an Sprachnuancen haben: Besonders für Gruppen, die sich mit der Gegenüberstellung von Verstand und Gewalt auseinandersetzen möchten.
- Projekte zum Thema Fabeln, Mythen oder "Stark und Schwach": Es bietet eine hervorragende Grundlage, um über diese archetypischen Konstellationen zu sprechen.
Umsetzungsideen
- Kontrastierende Körperlichkeit: Die Inszenierung sollte den Größenunterschied und die unterschiedlichen Bewegungsqualitäten von Spinne und Monster hervorheben. Dies kann durch unterschiedliche Höhenebenen (z.B. Monster auf Podest, Spinne am Boden/hängend) oder Bewegungsstile (langsam vs. schnell, träge vs. wendig) geschehen.
- Sounddesign: Das Unbehagen, die Bedrohung des Monsters, das leise Spinnennetz-Geräusch, die listigen Worte der Spinne – all das kann durch Geräusche und Musik untermauert werden, um die Atmosphäre zu verdichten.
- Masken oder stilisierte Kostüme: Überdimensionale, ungeschickte Masken für das Monster und filigrane, vielleicht sogar spinnwebenartige Elemente für die Spinne könnten die Charaktere visuell verstärken.
- Projektionen/Bühnenbilder: Ein angedeuteter Wald oder eine Höhle als Ort der Begegnung. Vielleicht sogar angedeutete Spinnweben als Symbol für die Taktik der Spinne, das Monster "einzuwickeln".
- Einsatz von Licht: Licht kann die Bedrohung durch das Monster oder die heimliche Arbeit der Spinne unterstreichen. Ein Spot auf die Spinne, wenn sie ihre "Meisterschaft der Worte" ausspielt.
Rollenarbeit
Die Arbeit an diesen Rollen erfordert von den Spieler:innen:
- Für die Spinne:
- Physische Wendigkeit: Die Fähigkeit, sich geschickt und vielleicht etwas unheimlich zu bewegen.
- Stimmliche Manipulation: Die Stimme muss von ängstlich zu schmeichelnd, überzeugend und schließlich triumphierend wechseln können. Die "klug gesetzte Lüge" erfordert präzise Intonation.
- Intelligenz in der Darstellung: Obwohl klein, muss die Spinne als die geistige Überlegene klar erkennbar sein.
- Für das Monster:
- Körperliche Präsenz: Das Monster muss groß und bedrohlich wirken, aber auch eine gewisse Tumbheitausstrahlen. Dies kann durch Gangart, Gestik und Mimik geschehen.
- Einfache, aber wirkungsvolle Emotionen: Wut, Verwirrung, dumme Freude – diese Gefühle müssen klar und überzogen dargestellt werden.
- Lautliche Äußerungen: Das Monster wird wahrscheinlich eher grummeln, brüllen oder unartikulierte Laute von sich geben, die seine Einfachheit unterstreichen.
Dieses Stück bietet eine wunderbare Möglichkeit, humorvoll und zugleich nachdenklich die Dynamik zwischen Klugheit und Stärke zu erforschen und die Kraft der Sprache auf der Bühne zu erleben.