Steinrot und Moosblau oder
Es ist nur ein Gefühl
Das Spiel von Mann und Frau.... von mannundfrau...
Schauspiel von Gerd Knappe.
Das Stück montiert rituelle Szenen der Entdeckung, Annäherung und Loslösung zwischen ‚Mann‘ und ‚Frau‘ mit mythischen Erzählungen vom Umgang der Geschlechter miteinander. Worte werden in wechselnde Beziehungen zueinander gesetzt, so wie die Akteure in eine sinnliche Beziehung zueinander treten und nach einer gemeinsamen (Körper-) Sprache suchen.
Spricht eine Frau anders als ein Mann? Spricht ein Mann anders als eine Frau?
Auch wenn sie dieselben Worte benutzen, kommen sie bei beiden aus einem sich unterscheidenden Erfahrungshorizont und können für jeden etwas anderes bedeuten.
"
Rotmund und Lachnase
Grindkopf und Augenstern
Frechtrotzig und zartbrausend
Schwerfuß und Seidenhaut
Sumpfdrossel und Flugerpel
Steinrot und Moosblau
Wirbelwind und Erdregen
Land wird zu Meer
Meer wird zu Sand
Wie aus heiterem Himmel
Einem Stern zugewandt
Die Natur der Geschlechter
In der Gezeiten Spiel
Herzblatt und Muttermuskel
Urgrund und Hochbeben
Fraumensch und Manntier
Menschmann und Tierfrau
Urschrei und Erdton
Es ist nur ein Gefühl
Theaterpädagogische Perspektive:
Dieses Stück von Gerd Knappe bietet eine Fülle von theaterpädagogischen Ansatzpunkten, da es sich um grundlegende menschliche Erfahrungen dreht: Beziehung, Kommunikation und Geschlechterrollen.
Themen
Das zentrale Thema ist die Kommunikation zwischen Mann und Frau – oder allgemeiner, zwischen zwei Menschen. Es geht um die Suche nach einer gemeinsamen Sprache, das Überwinden von Missverständnissen, die aus unterschiedlichen Erfahrungshorizonten resultieren. Weitere Themen sind:
- Identität und Geschlechterrollen: Wie prägen gesellschaftliche Zuschreibungen und persönliche Empfindungen das Verständnis von "Mannsein" und "Frausein"?
- Annäherung und Distanz: Der Kreislauf von Verbindung, Konflikt und Trennung in Beziehungen.
- Sinnlichkeit und Körperlichkeit: Die Suche nach einer gemeinsamen (Körper-)Sprache jenseits der verbalen Ebene.
- Mythos und Realität: Die Verknüpfung universeller, mythischer Erzählungen mit dem persönlichen Erleben der Geschlechter.
Spielanreize
Die Beschreibung deutet auf ein stark körperliches und assoziatives Spiel hin, das viel Raum für Experimente lässt:
- Ritualisierte Szenen: Diese bieten die Möglichkeit, präzise Bewegungsabläufe und choreografische Elemente zu entwickeln, die Emotionen ohne Worte ausdrücken.
- Wort- und Satzfragmente: Das Auseinandernehmen und Neu-Zusammensetzen von Worten lädt zu Sprachspielen, Klangcollagen und rhythmischen Sprechchören ein. Die Spieler:innen können erforschen, wie sich Bedeutung durch Betonung, Reihenfolge oder Kontext verändert.
- Körpersprache erforschen: Die Suche nach einer gemeinsamen "Körpersprache" ist ein idealer Ansatzpunkt für nonverbale Übungen, Partnerakrobatik, Contact Improvisation oder Tanz.
- Mythische Erzählungen: Diese können als Ausgangspunkt für szenische Improvisationen dienen, die archetypische Situationen der Geschlechterbeziehung beleuchten. Man könnte auch Masken oder Requisiten verwenden, um diese mythischen Ebenen zu visualisieren.
Zielgruppenansprache
Das Stück ist besonders geeignet für:
- Oberstufe (ab 16 Jahren) und junge Erwachsene: Die Komplexität der Themen und die abstraktere Spielweise erfordern ein gewisses Maß an Reflexionsfähigkeit und Bereitschaft, sich auf die nonverbale Ebene einzulassen.
- Ensembles, die Lust auf experimentelles Theater haben: Für Gruppen, die sich von einem klassischen Textbuch lösen und gemeinsam performative, assoziative Ausdrucksformen entwickeln möchten.
- Kurse mit Schwerpunkt auf Bewegungstheater, Sprechtraining oder Improvisation: Hier können die Stärken des Stücks optimal genutzt werden.
Umsetzungsideen
- Minimalistisches Bühnenbild: Ein fast leerer Raum, der durch Lichtstimmungen, wenige Requisiten oder projizierte Bilder verwandelt wird, betont die Körper und die Sprache.
- Klanglandschaften: Einsatz von Geräuschen, Musik, Stille und Sprachfragmenten, um die emotionale Atmosphäre zu verstärken und den unterschiedlichen "Sprachen" von Mann und Frau Ausdruck zu verleihen.
- Chorische Elemente: Passagen, in denen das gesamte Ensemble bestimmte Sätze oder Laute gleichzeitig spricht oder sich synchron bewegt, um die universelle Dimension der Themen zu unterstreichen.
- Workshop-Charakter in der Probenarbeit: Statt nur Text zu lernen, sollte viel improvisiert und experimentiert werden, um die "gemeinsame Sprache" des Ensembles zu finden.
- Geschlechterübergreifende Besetzung: Man könnte bewusst mit der Geschlechterzuordnung spielen und die Rollen "Mann" und "Frau" auch mal geschlechtsverkehrt besetzen, um Zuschreibungen zu hinterfragen.
Rollenarbeit
Die Rollenarbeit ist hier weniger klassisch psychologisch, sondern eher physisch und assoziativ:
- Verkörperung von Archetypen: Die Spieler:innen verkörpern nicht unbedingt individuelle Charaktere mit ausgeprägten Biografien, sondern eher archetypische Aspekte von Mann und Frau. Dies erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit Gestik, Mimik und Haltung.
- Erforschung des eigenen Geschlechtsverständnisses: Die Spieler:innen werden angeregt, über die Klischees und persönlichen Erfahrungen von Geschlechterrollen zu reflektieren.
- Partner- und Ensemblearbeit: Die Interaktion mit dem Gegenüber steht im Vordergrund. Die Rollen sind stark voneinander abhängig und erfordern ein hohes Maß an Vertrauen und Sensibilität füreinander.
- Sprachliche Präzision und Experimentierfreude: Die Arbeit an den Worten und deren wechselnden Bedeutungen erfordert ein feines Gespür für Sprache und die Bereitschaft, mit Klängen und Rhythmen zu spielen.
Dieses Stück scheint eine großartige Möglichkeit zu sein, theatrale Ausdrucksformen jenseits des klassischen Sprechtheaters zu erkunden und gleichzeitig tiefgreifende menschliche Fragen zu beleuchten.